Visionen wahr machen
Interreligiöse Bildung auf dem Prüfstand
"Visionen wahr machen": Seit einem Vierteljahrhundert gibt es die Nürnberger Foren. Sie bringen Menschen zusammen, die auf der Aufbruchslinie ihrer Gemeinschaften stehen, Visionen haben, Zukunftsbilder religions- und weltanschauungs-übergreifenden Zusammenlebens entwerfen und an ihrer Realisierung arbeiten. Die Foren sind ein Kristallisationspunkt für Austausch, Besinnung und kritische Analyse und ein Gradmesser der Entwicklungen im Feld interreligiöser Begegnung, mit besonderer Konzentration auf die Aufgaben in Bildung und Erziehung. Hat sich in dieser Zeit etwas bewegt: an neuer wechselseitiger Wahrnehmung, an Verständnis und Zusammenarbeit, an verbindenden und verbindlichen Initiativen und Projekten?
Es hat einerseits neue Konfrontationen gegeben:
- religiös mitbedingte Konflikte wie im ehemaligen Jugoslawien, im Nahen Osten, in Nigeria, in Indien
- einen Terrorismus, der sich in ein religiöses Gewand kleidet und für den der 11. September 2001 ein besonders auffälliges und verhängnisvolles Signal gesetzt hat
- ein neues Um-sich-greifen von Pauschalbildern wie denen vom "aggressiven Islam" oder vom "Westen ohne Werte", mit ungeschützt gebrauchten Schlagworten wie "Kreuzzug" oder "Heiliger Krieg"
Es hat sich aber auch eine neue konstruktive Vielfalt der Ideen, Projekte, Begegnungs- und Arbeitsformen entwickelt:
- durch interreligiöse Verständigungs- und Versöhnungsarbeit wie in Bosnien, in Israel und Palästina, in Nordirland, in Südafrika und in Sierra Leone
- durch multireligiöse Bewegungen und Organisationen wie das Parlament der Weltreligionen, die International Association of Religious Freedom (IARF) und "Religions for Peace"/WCRP
- durch den beginnenden "Dialogue among Civilisations" und das Projekt Weltethos, das die globalen Herausforderungen ernst nimmt und inzwischen von Politikern und Wirtschaftsfachleuten ebenso diskutiert wird wie von Religionsgemeinschaften und Bildungsinstitutionen
- durch Forschungsarbeiten im fachlich-theologischen Bereich ebenso wie in den Sozialwissenschaften und in der Pädagogik und durch vielfältige Begegnungen vor Ort
"Visionen wahr machen": damit ist die "Erdung" der Ideen gemeint, die die Menschheit im Rahmen der einen Welt zusammenführen wollen: die geduldige, kontinuierliche Arbeit an Strukturen und Methoden neuer Konvivenz, an Bewusstseinsbildung und den dazu nötigen Lernschritten.
Das IX. Nürnberger Forum soll - zum Ende der universitären Dienstzeit von Johannes Lähnemann als dem Initiator der Foren - Bilanz ziehen, gleichzeitig aber auch vorausschauen. Es führt in bewährter Weise erfahrene und engagierte Persönlichkeiten aus verschiedenen religiösen und weltanschaulichen, politischen und bildungsmäßigen Kontexten international zusammen, Theoretiker wie Praktiker. Es wird das in interreligiöser Arbeit Aufgebaute überprüfen, aber auch Impulse für die Zukunft geben. Es soll die Mutigen bestärken und neue Wege aufdecken.
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